Lesen Leserinnen lieber Bücher von Frauen und Männer bevorzugen die Werke männlicher Autoren? Das Geschlecht spielt manchmal bei der Bücherwahl eine Rolle. Die literarischen Geschmäcker von Frauen und Männern sind unterschiedlich, doch es gibt Ausnahmen, die auch das Gegenteil beweisen. In diesem Beitrag schreibe ich über die Romane weiblicher Autoren, die mich fesseln, erstaunen und begeistern konnten und die Grenzen von Frauen- und Männerliteratur durchbrachen.
Als Jugendlicher las ich liebend gerne die Bücher der britischen Kinderbuchautorin Enid Blyton. Speziell aus ihrer Buchserie „Fünf Freunde – The famous five“, las ich jede Ausgabe, die ich in der öffentlichen Bibliothek meiner Heimatstadt finden konnte, oder wünschte sie mir als Geschenk.
Bei meiner Schwester fand ich das Buch “Onkel Toms Hütte- in eng. Original : Uncle Toms cabin”, das die amerikanische Autorin Harriet Beecher Stowe 1852 veröffentlichte und die die Geschichte des schwarzen Sklaven Tom und seine Erlebnisse sehr lebendig und mitfühlend beschreibt. Ich befreundete mich schnell mit dem Roman an und las diesen mit großer Begeisterung.
Mit dreizehn Jahren entdeckte ich die Kriminalromane der britischen Autorin Agatha Christie, die ohne Zweifel zu den erfolgreichsten Autorinnen aller Zeiten zählt. Mein erster Kontakt mit Agatha Christie waren die Miss Marple-Filme mit der legendären Margaret Rutherford, die im Fernsehen gezeigt wurden. Ich begann mich für ihre Romane zu interessieren, insbesondere für den Detektiv Hercule Poirot in den Klassikern „Mord im Orientexpress“, „Der Tod auf dem Nil“, oder „Alibi -The Murder of Roger Ackyord“. Wobei ich mir jedes Mal Peter Ustinov, den ich in verschiedenen Verfilmungen gesehen hatte, als den wahren Poirot vorstellte.
Relativ bald wurde mir das typische Agatha Christie-Schema, wo affektierte und schräge Figuren aus der betuchten Upper Class zusammenfinden und nacheinander ums Leben kommen, langweilig. Das Mörder-Rätselraten wiederholte sich in immer neuen Variationen, ebenso wie die Charaktere und das Milieu auswechselbar und vorhersagbar wurden. Besser gefiel mir dagegen der widersprüchliche und extravagante Charakter des britischen Detektivs Sherlock Holmes. Dennoch haben Agatha Christie und Sir Arthur Conan Doyle Großbritannien als Krimi-Land Nummer eins etabliert und Pionierarbeit geleistet. Noch heute profitieren viele, auch nicht-britische-Autoren, wie die deutsche Bestsellerautorin Charlotte Link, die ihre Geschichten oft auf den britischen Inseln ansiedelt, von dem Ruf und dem Flair, die Christie und Doyle durch ihr Werk hinterlassen haben.
Meine Mutter, die eine begeisterte Leserin war, hatte uns schon als Kinder mit Büchern vertraut gemacht und zum Lesen angeregt. Sie stellte mir die Autorin Daphne du Maurier vor, deren Geschichten mysteriöser und geheimnisvoller waren, als die von Agatha Christie, insbesondere du Mauriers-Romane; „Riff-Piraten- eng. Jamiaca Inn“, das Alfred Hitchcock 1939 verfilmte, und „Der kupferne Berg- eng. Hungry Hill“ über die Ausbeutung einer Kupfermine und den Protesten der Bewohner, fand ich als Teenager packend.
Dass Autorinnen keine starken Männercharaktere erfinden können, ist allerdings schlichtweg falsch. Eine der markantesten, literarischen Männerfiguren stammt von einer Frau: Mary Shellys Frankenstein Roman, der den Untertitel „The Modern Prometheus“ trägt, ist bis heute einer meiner Lieblingsromane geblieben.
Die literarische Figur des Doktor Frankenstein ist ebenso weltberühmt wie Bram Stokers Dracula oder Robert Louis Stevenson Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Mary Shellys Roman ist aber weit mehr als nur eine fiktive Gruselgeschichte. Sie ist auch eine literarische Auseinandersetzung über die Wissenschaft zwischen Entdeckergeist, Fortschritt und Alchemie des 19. Jahrhunderts, die zu einer geistigen und wirtschaftlichen Revolution geführt hatte. Die letzte Szene, als der Schweizer Forscher Frankenstein das von ihm geschaffene Monster vernichten will, weil er erkannte, welches Unheil er mit dessen Erschaffung angerichtet hatte, und dabei selbst den Tod findet, ist eines der dramatischsten Finale in der Literaturgeschichte.
Auf der Universität gab mir eine Studienkollegin ein Buch der US-amerikanischen Autorin Joyce Carol Oates mit dem Titel „them“. Damals hörte ich beinahe täglich Pink Floyd Musik und kannte deren Nummer „Us and them“ von dem Album Dark side of the moon, das sie 1973 veröffentlichten, und fühlte mich angesprochen. Ich stand gerade unter dem Einfluss des Romans von Cormac McCarthy „Blood Meridian“, der 1985 veröffentlicht worden war, und war überwältigt von den prägnanten Charakteren, der Gewalt und dem Wahnsinn, der in McCarthys Roman herrschte.
Doch schon bei den ersten Seiten von Joyce Carol Oates Roman „them“, den sie in Kleinbuchstaben veröffentlichte, war mir klar, dass diese Autorin ebenso wie McCarthy keine Berührungsängste mit der grausamen und brutalen Realität ihrer Protagonisten hat. Der Roman ist eine Familiengeschichte, die drei Hauptcharaktere über einen Zeitraum begleitet, deren Irrtümer, Verfehlungen, Missgeschicke, Unfälle, aber auch Lust und Liebe, in einer nüchternen, realistischen Sprache beschreibt, die ich damals einer Frau nicht zugetraut hätte. Ein genialer Roman, der zu Oates besten Werken zählt.
Ich versuchte auch andere Romane von Oates, wie „Because it is bitter, because its is my heart“ und „Wonderland“, die ich beide hervorragend fand, aber nicht im Vergleich zu „them“, das mein Favorit blieb. Erst vor einigen Jahren las ich Joyce Carol Oates Roman „Zombie“ über einen psychopathischen Serienkiller in den USA. Der Roman hat mich mit seinen unbarmherzigen Schilderungen mehr geschockt und gefesselt als Thomas Harris bekannter Schocker „Red Dragon“, den ich zur selben Zeit las. Manche Frauen beherrschen den Horror, genauso gut wie ihre männlichen Pendants.
Eine andere US-amerikanische Autorin, die mit ihren Kriminalromanen und vor allem ihrem männlichen Bösewicht berühmt wurde, der seinesgleichen in der Literatur suchte, ist Patricia Highsmith. Das erste Buch, das ich von Patricia Highsmith las, war „Those who walk away“ das eine psychologische Kriminalgeschichte über Rache und Vergeltung zweier Männer ist, angesiedelt in Italien. Ich fand die Handlung überwältigend und brillant. Einige Motive und Szenen fand ich später in ihren Romanen wieder, dennoch musste ich unbedingt weitere Bücher von ihr lesen, Bücher, die zu meinen Lieblingsromanen geworden sind: „The two faces of January“, „A dog´s ransom“, „Stranger on a train“ und mein liebster Ripley Roman: „Ripley Underground“, eine Geschichte über Täuschung, Fälschung und Betrug, die in eine tödliche Spirale mündet.
Tom Ripley ist ein notorischer Mörder und Betrüger, der niemals von der Polizei gefasst wird, der stets entwischt und seine amoralischen Machenschaften fortsetzt, ohne je Gerechtigkeit zu erfahren. Nicht alle Ripley-Romane waren großartig, ihr letzter und fünfter Ripley Roman war mehr eine Wiederholung vorheriger Motive und schwach in den Porträts und der Plausibilität, als die anderen, dennoch ist und bleibt Ripley einer der legendären, fiktiven Bösewichte, vergleichbar mit Doktor Mabuse oder Lord Moriarty.
Einen Roman, den ich gleichstellen würde mit der negativen Utopie „Brave New World“ von Aldous Huxley, ist der Roman „Der Report der Magd- The Handmaid´s tale“, der kanadischen Autorin Margaret Atwood, der 1985 publiziert wurde. Ich muss zugeben, dass ich den Roman erst nachdem ich die Verfilmung von Volker Schlöndorff im Kino sah, gelesen habe, und trotzdem beim Lesen wieder von der Geschichte begeistert und eingenommen war.
Margaret Atwoods Utopie über eine theologische Diktatur, die sich Republik Gilead nennt, in der Frauen unterdrückt und ihrer Rechte beraubt werden, ist schauerlich, bedrückend und atemberaubend spannend. Gerade angesichts der aktuellen politischen Situation in den USA, wo eine weiße, fundamental christliche Elite unter Donald Trump die Macht ergriffen hat und demokratische Freiheiten entledigt, ist Atwoods Roman eine prophetische Mahnung, wie die Konsequenz dieser radikalen Politik ausschauen kann.
Ein ähnlich genialer Roman, in dem die Fruchtbarkeit von Frauen und Männern drastisch gesunken ist und die Menschheit am Rande des Aussterbens steht, ist der Roman der britischen Autorin P. D. James „The children of men.“
Ich kannte P. D. James von ihren Kriminalromanen mit dem Detektiven Adam Dalgliesh, fand diesen aber nicht so ansprechend wie Sherlock Holmes. Deshalb war ich überrascht von „The children of men“, das ich kurz nach Atwoods Roman entdeckte und sofort von der Handlung in den Bann gezogen wurde. Der Plot ist weniger futuristisch, als er erscheinen mag. Schon heute sind männliche Spermien viel weniger fruchtbar als vor dreißig Jahren und keiner kann etwas dagegen unternehmen. P.D. James dachte diese Entwicklung weiter und führt den Leser in eine chaotische Welt, in der keine Kinder mehr geboren wurden, und die immer mehr aus den Fugen gerät. Ein genialer Wurf.
Es sind nicht nur englischsprachige Autorinnen, die mich mit ihren Büchern begeistern konnten. Schon seit Langem las ich gerne die Bücher lateinamerikanischer Autoren, wie die des Kolumbianers Gabriel Garcia Marquez, des Argentiniers Jorge Luis Borges oder des Brasilianers Paolo Coelho.
Wieder war es meine geliebte Mutter, die mich auf die Bücher der chilenischen Autorin Isabel Allende aufmerksam machte und mir eine neue Erfahrung ermöglichte. Mit großer Begeisterung las ich ihren Roman „Porträt in Sepia“ und lernte eine Menge über die chilenische Gesellschaft, ihre Werte, ihre Rituale und ihre Geschichte, ebenso wie in „Die Insel unter der See- La isla bajo el mar“, mich über Haitis Vergangenheit aufklärte und vereinnahmte. In Erinnerung geblieben ist mir auch der Roman „Die Stadt der wilden Götter- La ciudad de las bestias“, der die Abenteuer eines jungen Burschen in den Mittelpunkt stellt.
Isabel Allende ist eine der erfolgreichsten und wortgewaltigsten Autorinnen Südamerikas, deren Bücher meine Fantasie und Weltverständnis erweitert haben. In diesem Sinne, kann ich zusammenfassen, dass weibliche und männliche Autoren gleich gute Werke schaffen und es keine geschlechtsspezifische Unterscheidung gibt, wenn es um die Qualität eines Buches geht.
Mike Masuri, August 2025
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