Kampala ist nicht meine Lieblingsstadt. Es ist schwer die Stadt zu lieben, gleichzeitig strahlt sie eine Anziehungskraft aus, die viele Besucher und Besucherinnen bewegt, hier zu bleiben, manche ein Leben lang.
Wäre Kampala eine Hauptstadt in einem funktionierenden Rechtsstaat mit einer verantwortungsvollen Regierung, dann zählte sie sicher zu den schönsten Städten der Welt, direkt in einer Bucht des riesigen Viktoriasee gelegen, mit Hügeln, die 1500 Meter in die Höhe ragen, einem angenehm subtropischen Klima mit Jahrestemperaturen um die fünfundzwanzig Grad, wunderbar grün und sonnig. Doch die Realität sieht anders aus.
Kampalas Infrastruktur ist eine Katastrophe. Allein das Straßennetzwerk ist eine stetige Herausforderung für Autofahrer und Fußgänger. Nur wenige Hauptstraßen sind asphaltiert. Die Neben und Seitenstraßen großteils nackte, von Schlaglöcher durchbrochen Einbahnen, ohne Fußgängerstreifen. Fußgänger gehen in Kampala ein hohes Risiko ein von einem motorisierten Teilnehmer überfahren oder angefahren zu werden, marschieren auf schmale, ausgetretene Pfade über Löcher und Hindernisse. In der Trockenzeit ersticken sie in massive Staubwolken. In der Regenzeit waten sie durch rötlichen Schlamm.
Im Durchschnitt sind die Fahrzeuge zwanzig Jahre oder mehr alt, pusten schwarze Rußwolken aus und werden immer wieder aufs Neue zusammengeflickt und endlich repariert. Einen öffentlichen Verkehr gibt es nicht. Kleine, schrottreife und unbequeme Minibusse und Tausende von Motorradtaxis befördern die Massen , die sich kein eigenes Auto leisten können. Jeder träumt vom eigenen Auto, auch wenn sie im zähen Stau Stunden verbringen und die hungrigen Verkehrspolizisten ein Bakschisch zahlen müssen, weil sie wieder einmal eine Regel gebrochen haben, von der sie nichts gewußt haben.
Eine funktionierende Straßenbeleuchtung brennt nur an wenigen Abschnitten. In Regel wird es bei Einbruch der Nacht stockfinster, würden nicht private Haushalte ihre Einfahrt beleuchten. Mit der Finsternis steigt die Gefahr ausgeraubt zu werden, Deswegen leisten sich die Hausbesitzer private und bewaffnete Sicherheitsleute. So wie auch alles andere privatisiert ist. Es fragt sich, warum eigentlich noch Steuern zahlen?
Die Stadtverwaltung bemüht sich halbherzig an einer Verbesserung der Straßeninfrastruktur und kann mit dem Wachstumstempo der Metropole nicht mithalten. Zumal die neuen Straßen innerhalb weniger Jahren wegen Qualitätsmängel erodieren, zerfallen und wieder sanierungsbedürftig sind. Das Bauwesen ist und bleibt einer der größten Korruptionsfälle im Land. Hier lassen sich große Summe abzwicken und unheilige Allianzen zwischen Privatunternehmen und Regierungsmitglieder schmieden..
Eine Stadt ohne ausreichende Kanalisation ist schon eine Zumutung, denn Menschen erzeugen Abwasser, Fäkalien und jede Menge Mist. Nur zehn Prozent des Abwasser wird durch Kanäle entsorgt, den Rest pumpen private Dienstleister aus den Latrinen. Die selbe Geschichte mit dem Großstadtmüll, der nur zu einem Bruchteil verbrannt wird. Stattdessen wird dieser von privaten Unternehmen auf Deponien gelagert, die immer größer und höher werden und bei Starkregen in Bewegung geraten und all jene unter den Müllmassen begraben, die sich in der Nähe aufhalten.
Von sauberes Trinkwasser brauchen wir nicht zu reden. Uganda ist eines der wasserreichsten Länder Afrikas, trotzdem muss einer Trinkwasser in Plastikflaschen kaufen, von privaten Unternehmen versteht sich, darunter Konzerne wie Coca Cola. Der größte Süßwassersee Afrika bietet kein Trinkwasser, warum nicht? Die Abwässer der Städte, die an den Ufern des Sees liegen, ob in Uganda, Kenia oder Tanzania, werden nur zumteil gefiltert in den See gepumpt. Das Wasser, das die Hauthalte aus den Wasserhähnen und Duschköpfe erhalten, stammt auch aus dem selben See, nur das es vor der Nutzung mit Chemikalien dürftig gereinigt wird, zum Trinken leider ungenießbar.
Stromausfälle gibt es beinahe täglich. In manchen Bezirken dauern sie wochenlang, in anderen, wo die Reichen wohnen, steht der Strom schneller zu Verfügung. Übrigens lebt die Hälfte der Bewohner des Landes ohne Stromanschluss. Die Meisten können die Strompreise schlicht nicht bezahlen, benutzen Solarlampen und laden ihre Akkus mit Mini Photovoltaik.
Dennoch ist Kampala eine boomende Metropole, die grenzenlos in alle Richtung wächst, Zufluchtsort aller Landflüchtlinge und Wunschort aller jungen Leute im Land, die davon träumen es in der Hauptstadt zum Reichtum zu bringen. Das große Kapital konzentriert sich allerdings in den Händen einer Gruppe Multimillionäre, die mit dem Präsidenten verwandt sind und die Ressourcen des Landes für sich selbst abschöpfen.
Der Rest schlägt sich im Kampf ums Überleben durch. Viele müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Der Durchschnittslohn beträgt gerade mal dreihundert Dollar pro Monat, davon müssen dann fünf bis sieben Menschen in einer Familie töglich ernährt werden. Es gibt keine Sozialleistungen, der Staat hat kein Geld für Almosen, dafür aber für Luxuskarossen und neueste Überwachungstechnologie. Die Politiker, Regierungsmitglieder und Parlamentarier zählen zu den best verdienenden Individuen im Land und sahnen überall ab, wo sie können. Der Staat leistet sich ein aufgeblähtes Parlament mit fünfhundert Abgeordnete und vierzig Minister. Die bürokratische Verwaltung des Staates ist Ineffizienz und kostenintensiv, vor allem die fetten Löhne der Spitzenmanager und Funktionäre belasten das System. Ugandas Korruption ist berüchtigt und verhindert einen nachhaltigen Fortschritt, trotz Milliarden an karitativen Hilfsgeldern und Kredite der internationalen Gemeinschaft.
Nirgendwo in Afrika gibt es so viele NGOs wie in Uganda. Alle westlichen Industriestaaten der Welt und alle Religionsgemeinschaften betreiben Außenstellen in Uganda, um das Not der Bevölkerung zu lindern und das Land voranzubringen. Bisher sind die Ergebnisse eher bescheiden, dafür gilt Kampala als ein Zentrum der Geldwäsche und des illegalen Goldhandels. Die Milliarden aus dem Ausland verschwinden in undruchsichtige Kanäle, werden in Luxusapartments investiert oder in Auslandskonten verschoben. Die Ex-Patriots, wie sich die ausländischen MitarbeiterInnen internationaler Organisationen, Botschaften und NGOs nennen, leben im Luxus, schicken ihre Kinder auf die teuersten Schulen, hausen in Villen mit Schwimmbecken und sieben Schlafzimmer und leisten sich Dienstpersonal, wie zu Zeiten der Kolonialisten. Das Geschäft mit den Armen blüht nach dem Motto: Poverty sells. Die Entwicklungszusammenarbeit hat ihre Unschuld verlorren und ist zu einem Geschäft geworden, wo es hauptsächlich darum geht, wieviel jemand damit verdienen kann..
Kampala ist und bleibt trotz aller Klagen auch meine zweite Heimat . Die Stadt, in der meine Kinder geboren wurden, Die Stadt, in der ich meine Frau aus Uganda kennen und lieben gelernt habe. Die Stadt, die mich zu einem anderen Menschen gemacht hat, vielleicht nicht zu einem besseren, aber zu jemanden, der die afrikanische und seine eigene Kultur besser versteht. Trotz aller sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme (Kampala leidet unter einer massiven Luftverschmutzung) ist die Stadt sicherer als viele andere afrikanische Großstädte, und sie heißt die Fremden Willkommen. Nirgendwo habe ich offenere und freundlichere Menschen getroffen als in Uganda. Einer kann praktisch mit jedem Unbekannten reden, jeden fragen und in ein Gespräch verwickeln. Wenn gleich Vorsicht angebracht ist, denn Kampala ist auch Hauptstadt der Betrüger und Schwindler, die höflich und freundlich, böse Absichten verfolgen.
In Kampala bleibt niemand lange alleine, der nach soziale Nähe sucht. Vielleicht ist Kampala auch deswegen bei Sextouristen und liebeshungrige Männer und Frauen aus dem Norden so beliebt. Nirgendwo werden mehr gemischte Ehe vermählt als hier. Das Nachtleben gilt als eines der aufregendsten und exotischsten in ganz Afrika. Die Menschen feiern und tanzen liebend gerne, auch wenn das Leben für die Masse schwierig und entbehrungsreich ist, hindert es sie nicht an der Lebensfreude. Davon können sich Menschen aus Nordeuropa etwas abschauen. Kampala, ein Sehnsuchtsort zwischen Katastrophe, Gastfreundschaft und Lebenslust, so würde ich die Stadt beschreiben.
Mike Masuri, Mai 2025
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